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Interview: Klaus Tumuscheit über erfolgreiche Projektleiter

„Nie ohne die Rückendeckung der Entscheider“

 Ungeduldige Stakeholder, ziellose Projektleiter: Projekte gibt es wie Sand am Meer, man muss nur sicher hindurch navigieren.

 Interview mit Projektmanager und Autor Klaus Tumuscheit

Herr Tumuscheit, Sie sagen: Praktisch jeder hat heute in der Arbeitswelt mit Projekten zu tun. Welchen (Stellen-)Wert hat die Projektarbeit  in deutschen Unternehmen – auch für die Mitarbeiter?  Wird Arbeit in Projekten neben den eigentlichen Berufsaufgaben wichtiger, anspruchsvoller?

Die Bedeutung von Projekten nimmt generell zu. Ich bin seit 26 Jahren selbstständig als Projektmanager, ich begleite Projekte und trainiere Projektleiter – wenn ich zurückblicke, stelle ich jedoch fest, dass es den Unternehmen in all dieser Zeit kaum gelungen ist, Projektmanagement besser bei sich zu integrieren. Das fängt schon bei der Zeiteinteilung an. Es herrscht immer noch der Anspruch: 100 Prozent Tagesgeschäft, 100 Prozent Projektarbeit. Dabei ist das gar nicht zu schaffen. Es gibt also zum einen mehr Projekte, zum anderen wächst der Bedarf an methodischer Kompetenz, sie strukturiert zu planen und zu steuern.

Wenn von Projektmanagement die Rede ist, geht es gleichzeitig oft um die häufigsten Fehler bzw. Fallstricke. Welche davon beeinflussen Projekte besonders nachhaltig, also negativ?

Das Hauptproblem ist: Am Anfang ist oft unklar, welches Ziel das Projekt hat. Von oben heißt es nur: „Wir müssen dringend an Thema X arbeiten, fangen Sie doch schon mal an!“. Dann sind Projekte häufig schlecht geplant: Das erste Vierteljahr geht es ohne zielführenden Plan gerade noch gut, aber in der restlichen Projektlaufzeit überrollt das Team dann die große Katastrophe. Weitere Fehler sind, sich zu wenig Gedanken über diejenigen zu machen, die vom Projekt betroffen sind – also die Stakeholder und andere Interessensgruppen. Risiken und äußere Einflüsse werden unterschätzt. Planabweichungen werden spät erkannt und wenn, wird oft falsch damit umgegangen. Letztlich kann eine Hürde auch der Entscheider selbst darstellen: Wie geht er mit dem Projekt mit, wie lässt er sich einbeziehen?

„Projektleiter sollten so viel wie möglich mit den Entscheidern kommunizieren“

Wie können Projektleiter lernen, diese Fallstricke von vornherein zu umgehen? Geht das überhaupt immer oder sind Projekte, in denen rein gar nichts schief läuft, unrealistisch?

Da stellt sich zunächst die Frage, woran der Projektleiter gemessen wird. Natürlich gibt es höchst erfolgreiche Projekte. Man hat dazugelernt, weiß etwa um die Wichtigkeit von Zielen und Plänen und so weiter. Aber beim übernächsten Projekt passieren dann neue Fehler, auf die man nicht vorbereitet war. Das ist einfach so – kein Projektleiter kommt ums ständige Dazu-Lernen herum. Wichtiger, als etwa im Alleingang alle Fehler vermeiden zu wollen, ist für Projektleiter die Rückendeckung durch die Entscheider.

In der Praxis ist die Zusammenarbeit mit der Entscheiderebene aber nicht immer einfach…

Daher rate ich Projektleitern stets: Schützen Sie sich, indem sie möglichst viel mit den Entscheidern kommunizieren. Auch in den oberen Etagen ist man sich nicht immer einig und das muss dann eventuell der Projektleiter ausbaden. Zumindest spürt er  Unstimmigkeiten. In den Unternehmen gibt es schlicht zu viele Projekte. Daher braucht es die Definition von Kriterien; Entscheider müssen Prioritäten setzen und Verbindlichkeiten schaffen. Mir sind schon Projektleiter begegnet, die Valium nehmen, bevor sie ins Lenkungskreis-Meeting gehen. Entscheider sind ungeduldig, die wollen in zehn Minuten alles auf den Punkt präsentiert kriegen. Dabei wissen sie auf Nachfrage oft selbst nicht, was genau sie bei den Meetings vom Projektleiter erwarten können. Projektleiter trauen sich umgekehrt oft nicht, die jeweiligen Erwartungen abzufragen, sie lassen sich mit ihren Anliegen zu schnell abwimmeln. Mein Tipp ist, dem Entscheider – ob er das nun ausdrücklich will oder nicht – alle 14 Tage in einer Mail über den Status des Projekts zu informieren, dann kann er sich später bei Problemen nicht herausreden.

Sie haben ein Buch über zahlreiche „Mythen“ des Projektmanagements geschrieben. Besonders interessant: Anscheinend sind Projekte nicht unbedingt ein Karrierefaktor. Warum?

Erfolgreiche Projekte können selbstverständlich die Karriere pushen. Projekte brauchen dazu im Unternehmen den entsprechenden Stellenwert. Und: Erfolgreiche Projektleiter verfügen über eine ausgeprägte Methodenkompetenz und beherrschen auf exzellente Weise die nötigen Soft Skills –sie sind hervorragende Kommunizierer. Beherrscht man diese Klaviatur des Projektmanagements nicht, ist Misserfolg vorprogrammiert und der bringt einen auf der Karriereleiter nicht nach vorn. Dabei wird leider oft übersehen, dass nicht allein der Projektleiter für schwierige Projektverläufe oder verpasste Ziele verantwortlich ist. Daher sind ja auch frühzeitige Fehleranalyse, „Lessons learned“ am Ende und Unterstützung durch die Entscheider so wichtig.

„Erfahrene Projektleiter dürfen unbequem sein und die Machtverhältnisse in Unternehmen hinterfragen“

Auch die Branchenkenntnis des Projektleiters wird Ihrer Meinung nach überschätzt.  Was raten Sie Auftraggebern stattdessen?

Wie gesagt: Es braucht zunächst das ganz besondere Kommunikationsgeschick. Branchenkenntnis ist oft deshalb hinderlich, weil der Blick fürs Ganze schnell verloren geht. Dieser Blick muss zum Beispiel die Machtverhältnisse in einem Unternehmen erfassen können, um gezielt agieren zu können. Ob ich nun einen Flughafen zu bauen habe oder ein neues Produkt einführe: Überlässt man den falschen Leuten zu viel Macht über das Projekt, kann es im Desaster enden. Das Team bringt dann die eigentliche fachliche Kompetenz mit. An solche Leute kommt man als Auftraggeber leichter ran als an erfahrene Projektleiter, die auch mal unbequem sein können. Die die richtigen Fragen stellen. Die so gut ausgebildet sind, dass sie abteilungs- und disziplinübergreifend arbeiten können.

Erfolgreich abgeschlossene Projekte mehren das interne Wissen und Know-how im Unternehmen. Sie behaupten aber, effektives Nutzenmanagement wird nach Projekten selten betrieben. Wie könnte die Nacharbeit für Projektmanager aussehen?

Vor allem geht es mir neben dem aufgebauten fachlichen Know-how um die Projektmanagement-Methoden, die erfolgreich angewandt wurden. Es wäre doch wünschenswert, wenn es in Unternehmen eine Anlaufstelle für Projekt-Wissen gäbe. Wo man nachfragen kann: „Bei der Produkteinführung vor zwei Jahren lief es so und so, jetzt haben wir ein ähnliches Problem, wie können wir verfahren?“ Die Erfahrungen aus abgeschlossenen Projekten müssten irgendwo gespeichert werden. Dem entgegen steht aber die Angst vieler Entscheider, dass so nachträglich Probleme transparent werden, die auf sie zurückfallen. Das heißt: Es müsste gleichzeitig an der Fehlerkultur in Unternehmen gearbeitet werden.

Projekte werden meist von ihrer störanfälligen Seite her betrachtet. Aber sie können doch auch begeistern, motivieren und neue Impulse setzen. Welche positiven Aspekte können die Beteiligten aus der Projektarbeit mitnehmen? 

Viele! Wenn der Projektleiter es schafft, seine Leute gut einzubinden und diese ihr Wissen einbringen können, entsteht eine unfassbar positive Dynamik. Mitarbeiter erleben leider häufig erst als Teil eines Projektteams, dass ihr Wissen stark gefragt ist, wie sehr sie mitgestalten können, wenn man  gemeinsam Lösungen findet. Nicht selten ist es für sie ein regelrechter Kulturschock, wenn sie zurück zur Linie kehren. Auch hier gilt: Es liegt an den Entscheidern und Projektleitern, diese Entfaltungsmöglichkeiten zuzulassen.

Vielen Dank, Herr Tumuscheit, für diesen Beitrag!

Das Interview mit Klaus Tumuscheit führte die Dr. Blaschka & Netzwerk-Journalistin Elisabeth Sennhenn.

>> Mehr über Klaus Tumuscheit auf seiner Homepage