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Internalisierte Homophobie überwinden

Als schwuler Mann homophob? Wie du die Internalisierte Homophobie überwindest

Manuel war seit Wochen für seine Familie und Freunde kaum ansprechbar. Er steckte seit Monaten in einer tiefen Spirale aus Selbsthass und Scham über seine eigenen erotischen Gefühle für seinen Schulfreund Max und war inzwischen in eine Depression abgerutscht. In seinem Umfeld äußerte er zunehmend offene Ablehnung und Hass gegenüber Schwulen, die niemand verstehen konnte. Seine Mutter bemerkte, dass es ihm schlecht ging und schickte ihn schließlich zum Hausarzt. Was Manuel erlebte, kann als internalisierte Homophobie mit ihren weitreichenden und komplexen Auswirkungen bezeichnet werden.

Dabei handelt es sich um negative Gefühle, Gedanken oder Verhaltensweisen gegenüber der eigenen Homosexualität, die oft unbewusst sind. Manuel hat schon lange gespürt, dass er anders ist, weil er auf Jungs steht. 

Anmerkung: In diesem Text konzentriere ich mich auf die Perspektive schwuler Männer, da ich als Coach mit schwulen Männern arbeite und selbst schwul bin. Damit soll kein anderer Teil der queeren bzw. LGBTIQ* Community ausgeschlossen werden. Die hier dargestellten Zusammenhänge gelten analog auch z.B. für lesbische Frauen oder für das Thema Transphobie.

Heteronorma… was?

Als schwuler Mann in der heteronormativen Welt zu leben, ist nicht einfach. Mit dem Begriff heteronormativ ist gemeint, dass in unserer Gesellschaft die Heterosexualität, also das auf ein anderes Geschlecht gerichtete erotische Begehren, gegenüber anderen Formen der sexuellen Orientierung als überlegen und als vermeintliche Norm gilt. Im Klartext: Heteronormativität ist die Überzeugung, dass sexuelle Beziehungen nur zwischen Mann und Frau stattfinden können. 

Das Problem dabei ist, dass Heteronormativität oft unbewusst als Norm dargestellt wird: Es gibt nur zwei Geschlechter, die sich sexuell und romantisch zueinander hingezogen fühlen. Ob nun beim Kennenlernen auf Partys oder im Fitnessstudio: Die Grundannahme und damit die Erwartung der heteronormativen Gesellschaft ist, dass das Gegenüber (auch) hetero ist. Und dass sich jeder Mensch nur als männlich oder weiblich versteht.

Queere Menschen erleben sich daher von klein auf als lebenden Widerspruch zur Norm und verinnerlichen das Gefühl, nicht „normal“ zu sein. 

Meine Jugend als Hundertfünfundsiebziger

In den Filmen meiner Kindheit gab es keine schwulen Helden oder offen schwule Prominente, mit denen ich mich als schwuler Jugendlicher identifizieren konnte. Schwule Männer wurden damals noch abwertend als „warme Brüder“ oder „Hundertfünfundsiebziger“ bezeichnet, in Anlehnung an den Paragrafen 175 des deutschen Strafgesetzbuches, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte und erst 1994 (!) abgeschafft wurde.  

Ich kann mich auch noch gut an das kollektive Entsetzen erinnern, als Rock Hudson sich als bisexuell und an AIDS erkrankt outete. Da kam noch etwas hinzu: Als schwuler Mann war ich dazu verdammt, früh zu sterben und wie ein Aussätziger behandelt zu werden, wenn ich mich mit HIV infiziere. Und damit sind wir bei dem, was uns queeren Menschen oft entgegengebracht wird: Homophobie.

Homophobie ist mehr als nur die Angst vor Homos

Homophobie ist definiert als soziale Ablehnung gegenüber queeren Menschen wie Lesben, Schwulen, oder Bisexuellen. Entsprechend spricht man bei trans Menschen von Transphobie. Diese Ablehnung führt bei queeren Menschen zu einem inneren Konflikt: Die heteronormative Gesellschaft verlangt, dass ich als Mann keinen anderen Mann sexuell begehre. Ich selbst empfinde aber genau dieses Verlangen. Dieser Konflikt führt zu Gefühlen von Ekel, Wut und Angst gegenüber mir selbst und allen anderen LGBTIQ*

Mit Manuels wachsendem Bewusstsein, schwul zu sein, geriet er immer mehr in diesen inneren Konflikt, den man als „internalisierte“ Homophobie bezeichnet: Die Homophobie, die wir in uns selbst tragen. Manuel stellt seine eigene sexuelle Orientierung und Identität unbewusst in Frage, lehnt sie sogar offen ab. Ein richtiger Mann darf nicht schwul sein. Manuel schämt sich für seine freundliche, offene Art, die er selbst als weich oder feminin empfindet. Er hasst sich für seine Gefühle zu seinem Freund Max. Manuel hat homophobe Bilder, Gefühle und Überzeugungen verinnerlicht, sie als Teil seiner eigenen Persönlichkeit, seiner Gedanken- und Gefühlswelt, übernommen.

Internalisierte Homophobie führt zu psychischen Problemen

Internalisierte Homophobie geht oft mit einer ganzen Reihe von Gefühlen, Überzeugungen, Emotionen bis hin zu körperlichen Beschwerden und Symptomen einher. Typisch sind z.B. Minderwertigkeitsgefühle oder das Gefühl, als Person falsch und weniger wert zu sein. 

Ebenso häufig sind die Angst vor Zurückweisung, aber auch die Ablehnung anderer queerer Menschen, Selbstablehnung bis hin zu Selbsthass, Scham, Depressionen, Angststörungen, Zwänge (z.B. Waschzwang), Suchtprobleme, somatische Beschwerden oder gar Suizidalität.

Die Ablehnung kann im Extremfall dazu führen, dass andere, meist offen lebende LGBTIQ* verbal oder körperlich angegriffen werden, wie im Fall von Manuel. Oder das schreckliche Attentat auf den queeren Nachtclub Pulse in Orlando, das von einem schwulen Mann vermutlich aus internalisierter Homophobie begangen wurde.

Früher Kampf mit dem Selbstwert

Vor allem die noch unbewusste internalisierte Homophobie führt zu häufig erlebten Minitraumata, das Selbstwertgefühl wird dadurch massiv geschwächt. Tatsächlich entsteht die internalisierte Homophobie bereits sehr früh in der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Der Schweizer Psychotherapeut Kurt Wiesendanger weist in seinem Buch „Vertieftes Coming-out“ darauf hin, dass dieser Effekt bereits im Alter von fünf bis sechs Jahren eintritt, manchmal sogar noch früher. Auch für Manuel standen schon als Junge alle Vorurteile und Stereotypen über Schwule in massivem Widerspruch zu seinem eigenen Erleben und Fühlen. Dafür musste der junge Bub eine Lösung finden. 

Ein Kind kann aber keine Lösung für dieses schwerwiegende Problem finden, das im Erleben sehr diffus und schwer greifbar ist. Schwule Männer beginnen daher schon früh, verschiedene Strategien zu entwickeln, um mit der internalisierten Homophobie umzugehen. Einige davon habe ich bei Manuel beschrieben.

Irrwege aus der internalisierten Homophobie

Eine andere Strategie ist das Schaffen von Ordnung im Äußeren – die perfekt aufgeräumte und designte Wohnung kenne ich von vielen Schwulen ebenso wie das immer stylische Outfit. Der perfekt gestählte oder schlanke bzw. fettfreie Körper gehört ebenso dazu wie der Wunsch nach dem perfekten Partner. Denn wenn der perfekte Partner mich liebt, dann bin ich in Ordnung, so wie ich bin.

Viele Schwule leben so hetero-maskulin wie möglich, bewegen und kleiden sich maskulin, wählen männlich konnotierte Sportarten wie Bodybuilding oder Kampfsport. Ein Kickboxer ist doch über jeden schwulen Zweifel erhaben, oder? Schwule Männer bezeichnen sich gerne als „straight acting“ oder „heterolike“, was als attraktiv gilt. 

Andere Strategien sind, andere Menschen ständig auf Fehler hinzuweisen, sie für etwas zu verurteilen und selbst überempfindlich auf Kritik zu reagieren. Ebenso häufig ist die Sehnsucht nach Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft. Oder die Sehnsucht nach der großen Liebe, oft mit dem paradoxen Verhalten, selbst nicht geliebt werden zu wollen und passende Kandidaten immer wieder abzulehnen. Es ist ein unglaubliches Spektrum, das die internalisierte Homophobie hervorbringt. 

Coaching kann Bewusstsein schaffen

Als Coach, der all diesen Facetten in der Arbeit mit schwulen Männern begegnet, erscheint es mir wichtig, sich genau dieses Spektrum an Strategien immer wieder bewusst zu machen. Sich dabei zu „ertappen“, wenn man selbst wieder in der internalisierten Homophobie gefangen ist. Das passiert auch mir selbst jeden Tag, aber ich merke ich es jetzt öfter und schneller.

Zurück zu Manuel. Er hatte das Glück, einen einfühlsamen Hausarzt zu haben, der ihn wegen seiner Depression an einen kompetenten Therapeuten überwies. Dort konnte sich Manuel nach einiger Zeit öffnen und begann sein Coming-out, bei dem er viel Unterstützung und Rückhalt durch Familie und Freunde erfuhr. Heute lebt er offen schwul mit seinem Partner Max zusammen. Ja richtig gelesen, auch Max hatte schon lange Gefühle für Manuel. Als Manuel ihm schließlich seine Gefühle gestand, konnte sich auch Max zu seinem Coming-out durchringen.

Ein abschließender Hinweis: Dieser Artikel ersetzt keine ärztliche oder psychotherapeutische Beratung oder Behandlung. Bei psychischen oder gesundheitlichen Beschwerden ist die eigene Hausärztin oder der eigene Hausarzt die erste Anlaufstelle. 

Queermed Deutschland bietet Adressen von queerfreundlichen und sensibilisierten Ärzt*innen und Therapeut*innen. Weitere Anlaufstellen sind z.B. der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD), das Jugendnetzwerk Lambda e.V. oder auch die Telefonseelsorge. In größeren Städten gibt es auch lokale Beratungsstellen wie z.B. den SUB e.V. in München.

Ich unterstütze dich gerne als Coach bei Problemen mit der eigenen sexuellen Orientierung oder beim Coming-out, sofern keine gesundheitlichen Probleme vorliegen. Vereinbare einfach einen Termin für ein unverbindliches und kostenloses Erstgespräch.