Mehr Professionalität im Projektmanagement
Wie funktioniert eigentlich „Professionelles Projektmanagement“ in Unternehmen? In mehreren Blogbeiträgen zum Thema habe ich bereits die einzelnen zentralen Bausteine wie Projektdefinition, Projektauftrag oder Projektorganisation eingehend erläutert. Wenn ich im Training zum „Professionellen Projektmanagement“ mit meinen Teilnehmern den Projektbegriff geklärt habe, stelle ich gerne die Frage: Wenn wir jetzt wissen, was für uns ein Projekt ist, was ist dann eigentlich Projektmanagement? Als Antworten der Teilnehmer kommen dann häufig Punkte wie „Planen und steuern“, „Den Leuten hinterherlaufen“ oder „Präsentationen für den Lenkungskreis erstellen“. Diese Antworten lasse ich alle gelten, denn das gehört sicher zu den Tätigkeiten und Aufgaben, die ein Projektleiter während des Projekts zu erledigen hat.
Auf meinem Chart finden sich die folgenden Antworten, die sicher keine vollständige Liste sind:
Der erste Punkt gilt vielleicht eher allgemein für das Thema Projektmanagement, weniger für die konkreten Aufgaben eines Projektleiters oder –leiterin: Projektmanagement ist die Lösung eines komplexen Problems. Das bedeutet für mich, dass wir uns oft außerhalb von klaren Ursache-Wirkungs-Ketten bewegen. Ein Team besteht aus vielen Akteuren, die im Zusammenspiel mit anderen Beteiligten im Unternehmen agieren. Somit ist in einer konkreten Situation nie vorhersagbar, wie alle Beteiligten reagieren.
Vielleicht hört ein wichtiger Stakeholder beim Mittagessen zufällig, was zwei Teammitglieder zum Projekt besprechen, und entdeckt am Projekt plötzlich doch mehr positive Aspekte und gibt seinen Widerstand auf. Die Komplexität entsteht für mich einfach aus der Tatsache, dass wir ein Team, also eine bestimmte Anzahl von Menschen, auf das hin bewegen wollen, was wir mit der üblichen Unschärfe und Mehrdeutigkeit unserer Sprache zu einem Zeitpunkt als „Ziel“ definiert haben.
Was bedeutet Projektmanagement?
Projektmanagement bedeutet „Planen, ausführen, überwachen, steuern“ – das kennen vielleicht manche aus dem Qualitätsmanagement. Tatsächlich ist das der bekannte „Deming-Zyklus“ Plan – Do – Check – Act, benannt nach Edwards Deming, dem Vater des Qualitätsmanagements. Das gilt für mich auch in Projekten. Zuerst brauchen wir einen klaren Plan (Projekt-Struktur-Plan, besser noch Ablaufplan bzw. Gantt-Chart). Diesen Plan setzen wir dann in die Realität um („Ausführung des Plans“). Dabei werden wir feststellen, dass das Projekt nicht immer wie geplant läuft, weil wir auf plötzlich auftretende Situationen reagieren müssen.
Mit anderen Worten: Wir überwachen die konkrete Umsetzung des Plans und wenn wir nicht mehr im Plan (oder wie das im Projekt gerne heißt: in time, in budget, in quality) sind, müssen wir handeln, also agieren (act). Nach meiner Erfahrung sind viele Projektleiter noch gut im Planen und fast alle freuen sich auf die „Ausführung“, also die Durchführung des Projekts. Sehr wenige dagegen überwachen den Plan und passen ihn an. Zur wirklichen Steuerung des Projekts, gerade in schwierigen Situationen, können sich nurmehr die wenigsten Projektleiter begeistern.
Feiern Sie erfolgreiche Projekte
Der nächste Punkt bezieht sich auf eine sehr wichtige Aufgabe eines Projektleiters und hat für mich auch viel mit erfolgreichem Projektmanagement zu tun: „Ziele vereinbaren, erreichen und feiern“. Feiern? Ja genau: feiern. Nämlich den erfolgreichen Abschluss des Projekts. Aber auch nur dann, wenn das Projekt ein Erfolg war. Ob sie jetzt eine rauschende Ballnacht im Hotel feiern oder sich einfach gemütlich im Besprechungsraum bei Kaffee und Kuchen zusammensetzen oder nach dem Essen noch in die Eisdiele im Ort gehen, bleibt ihnen bzw. dem verbleibenden Budget, alternativ der Großzügigkeit von Auftraggeber und Projektleiter, überlassen. Dazu eine Anekdote aus meiner Zeit als Projektcoach an einer Fachhochschule: Nach dem erfolgreichem Abschluss eines anspruchsvollen Projekts bekamen meine Studenten einmal von einem glücklichen Auftraggeber eine Rafting-Tour, und damit gleichzeitig ein tolles Team-Event, geschenkt.
Aber zunächst – und das ist für mich eine der wichtigsten Kompetenzen eines Projektleiters – geht es darum, mit dem Auftraggeber Ziele zu vereinbaren. Solche, mit denen wir im Projekt auch gut arbeiten können. Wichtig ist, dass die Ziele keine Vorgaben des Auftraggebers sind, sondern zwischen Auftraggeber und Projektleiter auf Augenhöhe vereinbart wurden. Auftraggeber haben oft eine sehr unklare Vorstellung von den Zielen. Deswegen ist es unser Job als Projektleiter, die Ziele gemeinsam zu schärfen und schließlich zu einer Vereinbarung zu kommen.
Die SMART-Formel als Richtschnur
Dabei können Sie gerne die SMART-Formel benutzen: S steht dabei für spezifisch und schriftlich, und zwar so spezifisch, dass es der Projektleiter auch allen Teammitgliedern erklären kann und es für die Arbeit im Projekt ausreichend spezifiziert ist. M steht für messbar. Ohne Messbarkeit können sie nicht nachweisen, dass das Ziel auch erreicht wurde. A steht für attraktiv, sorgt also für genug Motivation, und R für realistisch, so dass auch alles machbar sein sollte im Projekt. Last but not least heißt T in diesem Fall terminiert und erinnert uns an die Zeitschiene: Wann fangen wir an, wann ist das Projekt beendet? Konkret: Bis wann sind unsere Ziele erreicht?
Zentral ist also Ihre Überlegung, wie SMART sind Ihre Projektziele tatsächlich? Mein Kollege Klaus Tumuscheit bringt hier gerne den Spruch: „Jeder Projektleiter hat das Projekt, das er verdient“. Er meint damit, wenn Sie hier nicht genug Standing aufbringen und ihrem Auftraggeber klar machen, dass seine aktuelle Beschreibung der Ziele noch nichts ist, womit Sie im Projekt arbeiten können, dann sind Sie selbst schuld – Sie verdienen es nicht besser. Also: Klären Sie die Ziele mit dem Auftraggeber zusammen, machen Sie ordentliche Ziele daraus, mit denen Sie und das Team dann im Projekt auch arbeiten können.
Und wenn Sie SMARTe Ziele vereinbart haben, auf Augenhöhe, dann begeistern Sie das Team dafür und versuchen Sie alles, um diese Ziele im Projekt auch zu erreichen.
Verkaufen Sie Ihre Ergebnisse richtig
Weiter heißt Projektmanagement für mich auch, die Ergebnisse zu verkaufen. Und zwar so, dass Auftraggeber, Lenkungskreis und wichtige Stakeholder sich abgeholt fühlen, Ihnen somit bestätigen, dass die Ziele voll und ganz erreicht wurden. Das bedeutet, Sie müssen Ihre Ergebnisse so rüberbringen, dass das funktioniert. Wenn Sie aus der Technik kommen, kenne ich den Einwand schon: „Ich bin eben Techniker, kein Verkäufer“.
Das passt zu dem, was neulich beim Kunden passiert ist. Ein Software-Entwickler beginnt die Präsentation des ersten Prototyps für den Kunden. Der Kunde ist gespannt und neugierig, der Entwickler hat seine volle Aufmerksamkeit. Und was findet sich auf der ersten Folie zum Stand des Projekts? „Ich zeige Ihnen als erstes mal die Sachen, die noch NICHT funktionieren“. Auweia! Klar, den Entwickler drückt immer das schlechte Gewissen, aber mal ehrlich: Sind das die Themen, die der Kunde gleich zu Beginn hören will? Oder nicht vielleicht doch lieber DAS, WAS FUNKTIONIERT? Die offenen Punkte lassen sich in der Regel besser am Schluss als Ausblick unterbringen, was als nächstes im Projekt anzugehen ist. Also: Machen Sie sich Gedanken, wie Sie die Ergebnisse richtig rüberbringen und holen Sie sich Unterstützung, falls Sie als Projektleiter in bestimmten Punkten nicht so fit sind.
Teamleitung versus Fachkompetenz
„Wer glaubt, dass Projektleiter Projekte leiten, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten“, ist ein beliebter Spruch in der PM-Community. Manchmal finde ich ihn ganz witzig, manchmal nervt er mich auch. In jedem Fall steckt im Begriff auch die „Leitung“, in dem Fall die eines Teams drin. Ein Projekt leiten oder managen bedeutet eben auch, im Team zu arbeiten und als Projektleiter ein Team zu führen. Das machen sich leider nicht alle wirklich klar. Oft wird man Projektleiter, weil man von einem Thema recht viel Ahnung hat – Kollege Tumuscheit nennt das die Fachkompetenz-Falle.
Es kann sogar hinderlich sein, zu viel fachliche Kompetenz zu haben, weil man dann als Projektleiter dazu neigt, zu viele fachliche Aufgaben selbst zu übernehmen. Zu wenig zu delegieren kann dazu führen, dass das Team sich langweilt sich oder sich nicht ernst genommen fühlt, weil jeder fachliche Vorschlag nochmals korrigiert wird. So kommt keine förderliche Stimmung auf, weil zum ordentlichen Delegieren eben auch gehört, inhaltlich loszulassen. Also: Machen Sie sich bewusst, dass Sie in der Rolle als Projektleiter eine Führungsaufgabe haben und es nicht ausreicht, fachlich der Experte zu sein.
Dokumentation im Projektmanagement
Berichten und dokumentieren gehört für viele nicht zu den liebsten Arbeiten als Projektleiter, ich gebe es zu. Aber ein ordentliches Berichtswesen sichert Ihnen auch ein gutes Stück Projektsteuerung. Wenn Sie z.B. alle zwei Wochen den Auftraggeber über den Projektstatus informieren, kann das Projekt nicht in die ganz falsche Richtung laufen. Falls Sie Unterstützung beim Berichtswesen benötigen, fordern Sie unsere Vorlage zum Kommunikationsplan an – oder laden Sie sich gleich unsere Vorlagen zum Projektmanagement herunter .
Ein Projekt wird nur sehr selten auf „der grünen Wiese“ umgesetzt. Das bedeutet, dass es im Unternehmen immer Personen und Gruppen gibt, die Ihr Projekt toll finden und unterstützen, aber auch andere, die versuchen werden, das Projekt zu stören, weil es z.B. konkurrierende Ziele unterstützt. Oder schlicht nur deswegen, weil Sie mit dem Projekt an den Zaunpfahl eines anderen Königreichs kommen. Oder den Zaun vielleicht sogar ein Stück versetzen wollen. Zu viele Projekte scheitern am Widerstand von Menschen, die sich vom Projekt betroffen fühlen und dem Projekt kritisch gegenüberstehen. Also ist es wichtig, seine Stakeholder möglichst früh mit einzubeziehen. Das Werkzeug hierfür wäre die Stakeholder-Analyse, die wir in einem anderen Beitrag besprechen.
Passende Werkzeuge und Methoden
Für das Projektmanagement gibt es bewährte Methoden und Werkzeuge. Eigentlich sind es gar nicht so viele. Sie passen sogar gut in unser zweitägiges Training „Professionelles Projektmanagment“. Bei Interesse finden Sie unter diesem Link Termine und Infos zur Anmeldung. Als ProjektleiterIn gilt es nun, diese Werkzeuge anzuwenden, wie z.B. Ziele klären, einen Projektstrukturplan erstellen, das Projekt auf Zielkurs halten, den wöchentlichen Jour fixe zielführend moderieren, von den Teammitgliedern die Ergebnisse der Aufgaben einfordern und ähnliches. An manchen Stellen werden Sie vielleicht auch feststellen, dass Ihnen das passende Werkzeug fehlt.
Aus meiner Erfahrung sind das dann oft die Führungsthemen, die sich also aus der Führungsrolle als Projektleiter ergeben: Wie motiviere ich mein Team in schwierigen Zeiten? Oder wie löse ich einen ernsthaften Konflikt mit dem Auftraggeber bzw. einem wichtigen Stakeholder? Auch dazu haben wir Werkzeuge für Sie, die wir Ihnen in unserem bewährten und praxisnahen Training „Führen im Projekt“ vermitteln. Oder Sie melden sich mit Ihrem konkreten Problem bei uns für ein Projektcoaching an. Das liefert Ihnen schnelle Hilfe für Ihr Projekt. Alternativ empfehle ich immer wieder, sich einfach kollegialen Rat einzuholen. Schnappen Sie sich einen Kollegen oder eine Kollegin, die auch als Projektleiter unterwegs sind, schildern Sie Ihre Situation und bitten um kollegiale Beratung. Das ist keine Schwäche, wie manche vermuten, sondern Professionalität!
Überraschungen im Projektmanagement
Last, but not least: Projektmanagement heißt für mich auch, fast jeden Tag mit Überraschungen umzugehen. Denn eines ist sicher im Projektgeschäft: Irgendwas passiert immer, oder? Das kennen wir alle. Wichtig, auch im Sinne der eigenen Gesundheit, ist mir, damit wieder professionell umzugehen, diese Tatsache auch als normal zu akzeptieren und nach Möglichkeit sich nicht zu ärgern. Sondern das eben auch als die Herausforderung, das Sahnehäubchen, oder schlicht: den Job des Projektleiters anzusehen.
Auch mir gelingt das nicht jeden Tag, klar. Ich erinnere mich gerne an meinen früheren Chef bei BMW, der bei solchen schwierigen Situationen, über die wir in unserer Abteilungsrunde gesprochen haben, irgendwann gesagt hat: „Stark, da hat’s ja richtig gerummst. Wie kriegen wir das jetzt wieder hin?“ Mit leuchtenden Augen und unerschütterlicher Begeisterung hat er dann nach einer Lösung gesucht. Ich bewundere ihn noch heute für seinen starken Glauben daran, dass Störungen im Projekt normal sind und „es unser Job ist, damit umzugehen“. Das war nebenbei auch seine Motivation fürs Projektgeschäft: zu wissen, dass was passiert, das es zu lösen gilt. Und da war er richtig gut drin.
Vielleicht kann seine Sichtweise auch Ihnen als Inspiration dienen. Es hat ja auch viel mit der eigenen Einstellung zu tun, wie so oft im Leben. Ich wünsche Ihnen daher, an möglichst vielen Tagen, die „Überraschungen“ als genau die Herausforderungen sehen zu können, in denen wir zeigen können, was wir als ProjektleiterInnen „drauf haben“. Denn das ist unser Job – ich und das ganze Team wünschen Ihnen viel Erfolg dabei.
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