Martina Przybilla: Kunst versus VUCA
VUCA* ist einer der Begriffe unserer Zeit, der uns im Business Coaching immer öfter beschäftigt. So auch meine Kollegin Martina Przybilla, die der Kunst eine besondere Rolle in der VUCA-Welt zuteilt.
Sie sagt: „die Geheimnisse der Kunst sind die Geheimnisse des Lebens“ und führt Manager in die Weiten menschlicher Kreativität ein. Martina Przybilla hat als Coach für die Wirtschaft ein erfrischendes Konzept entwickelt, das Kunst und Unternehmertum verbindet. Dabei sind nicht die CEOs gemeint, die in Kunstwerke investieren oder mit Gemälden ihr Büro schmücken. Vielmehr steckt dahinter eine Strategie, um sich in der VUCA-Welt besser zurecht zu finden. In unserem Netzwerk-Interview erklärt Martina dieses Konzept näher.
Martina, du bist Kunsthistorikerin, hast Archäologie und Germanistik studiert und sprichst mehrere Sprachen. Jetzt führst du Menschen aus der Wirtschaft in die Welt der Kunst ein. Management meets Kultur und Ästhetik – wie passt das aus deiner Sicht zusammen? VUCA ist hier sicher auch ein Stichwort.
Wir leben in einer turbulenten Zeit, die von vielen Veränderungen geprägt ist. Zudem stehen die Firmen unter zunehmenden Druck, schnell innovative Lösungen produzieren zu müssen. Das führt dazu, dass verzweifelt Kreativitätsworkshops gebucht werden, um die Mitarbeiter einfallsreicher zu machen. Aus meiner Sicht ist das zu einseitig gedacht. Kunst war und ist im Grunde immer etwas, das den ganzen Menschen anspricht. Sie stärkt, gibt Impulse und verleitet zu neuen Sichtweisen. Hier setzt meine Arbeit an. Um die Herausforderung der VUCA Welt erfolgreich zu meistern gilt es, den Menschen und seine Wahrnehmung wieder in den Mittelpunkt zu stellen, ihm die Möglichkeit zu geben, neue innere Bilder zu entwickeln und Gesamtzusammenhänge zu verstehen. Der erste Schritt hierbei ist die Selbstreflexion. Dann folgen Impulse aus verschiedenen Bereichen der Kunst, die die Phantasie und den Einfallsreichtum fördern. Und genau das wird im Moment gebraucht.
„Zahlreiche Künstler waren extrem kreativ, aber auch extrem geschäftstüchtig.“
Du sagst: Die Erfolgsgeheimnisse von Künstlern können sich auch Unternehmer zunutze machen. Hast du ein Beispiel dafür?
Als Paradebeispiel können wir hier natürlich Picasso nennen. Er hat exzellente Unternehmerqualitäten bewiesen. Obwohl sein Werk „Les demoiselles d`Avignon“ 1907 auch von seinen Künstlerkollegen überaus skeptisch beäugt wurde, machte er sich nichts daraus, folgte seinen Eingebungen und scheute auch nicht davor zurück, alte Zöpfe abzuschneiden und kühn mit Traditionen zu brechen. Außerdem verstand er es vorzüglich, sich zu inszenieren und sein Personal Branding zu perfektionieren.
… viele der berühmten Maler und Bildhauer führten ja eher ein Leben als Playboy, Sonderling oder Frauenheld, manche zogen das Rampenlicht vor, wieder andere lebten recht zurückgezogen – wenn man einmal an Vincent van Gogh, Gustav Klimt, Claude Monet oder Pablo Picasso denkt. Oder greifen die Geschichten, die sich um solche Künstlerpersönlichkeiten ranken, zu kurz, wenn es um den Transfer in die Wirtschaft geht?
Ich denke, dass es in den Kreativabteilungen vieler Firmen auch exzentrische Sonderlinge und menschenscheue Nerds gibt… Und ja – natürlich lieben wir das Flair der Bohème, das den einen oder anderen Künstler umgibt. Menschen haben ein Faible für geheimnisvolle oder schillernde Gestalten. Trotzdem waren zahlreiche Künstler extrem kreativ, aber auch extrem geschäftstüchtig. Rubens zum Beispiel war ein richtiger Malerfürst mit ausgezeichneten Beziehungen zu den Mächtigen seiner Zeit.
„Jeder kreative Schaffensprozess braucht Freiheit und die Erlaubnis, Fehler zu machen.“
Über dich kann man lesen, dass du die mexikanische Malerin Frida Kahlo bewunderst. Erzähle uns, was dich an ihr fasziniert.
Frida Kahlo ist ein exzellentes Beispiel dafür, wie man selbst unter extremen Bedingungen und Schwierigkeiten seinen kreativen Impulsen folgen kann. Sie hat einfach keine Entschuldigung gelten lassen und nie aufgegeben. Es war die Kombination von eisernem Willen und unbändiger Schaffensfreude.
Du ziehst eine Parallele zwischen dem künstlerischen Schaffensprozess und der Innovationskultur in einem Unternehmen. Wie kann man sich das vorstellen?
Jeder kreative Schaffensprozess braucht Freiheit und die Erlaubnis, Fehler zu machen, ja vielleicht sogar das Ergebnis in die Tonne zu treten und gleich ein Neues zu beginnen. Viele Firmen ermutigen heute Ihre Mitarbeiter sogar, so früh wie möglich Fehler zu machen um dann so schnell wie möglich eine Kurskorrektur vorzunehmen. Und auch unter den Mitarbeitern muss ein vertrauensvolles und offenes Klima herrschen. Es gab früher die sogenannten Künstlerwerkstätten, in Italien Bottega genannt. Hier werkelte man zusammen, inspirierte sich gegenseitig und versuchte das schönste denkbare Werk zu schaffen. Zudem nahm der künstlerische Schaffensprozess auch immer zeitgenössische Impulse auf, verarbeitete sie. Auch unsere Produkte, unsere Dienstleistungen müssen auf unsere Zeit und das Leben der Menschen Antworten haben.
*VUCA= Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität
Über Martina Przybilla
In ihren Vorträgen, Coachings und Seminaren hilft Martina Przybilla ihren Teilnehmern, die Unwägbarkeiten einer sich ständig verändernden Welt souverän zu meistern. Ihr Credo: Neue Ansätze sind jetzt gefragt, um sich optimal auf die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft einzustellen. Solche Ansätze liefert für sie die Kunst(geschichte). Die „passionierte Globetrotterin“ pendelt seit vielen Jahren zwischen der Welt der Kunst und der der Wirtschaft und baut heute Brücken in beide Bereiche. Sie ist als Beraterin und Executive Coach tätig und international gefragte Rednerin auf ihrem Gebiet. Ein besonderes Faible hegt sie für Botticelli, Marc Chagall und für Künstler, deren Werke man bewundert, ohne je ihren Namen zu erfahren.
Mehr über Martina Przybilla unter www.martina-przybilla.com