Intuitives Bogenschießen und Embodiment Coaching
Intuitives Bogenschießen – meine Güte, wie lange wollte ich das schon machen. Das Buch „Zen in der Kunst des Bogenschießens“ von Eugen Herrigel hatte ich schon mehrfach angefangen, aber nie fertig gelesen. Es hat sich nach einem sehr anstrengenden Weg angehört – das war mein Einführungswochenende in die Zen-Meditation ja auch. Kyūdō, also das meditative Bogenschießen, gilt in Asien als einer der Wege, den Geist zu schulen – neben z.B. Zazen, Blumenstecken oder dem traditionellen Schwertkampf. Mich interessierte durchaus auch der spirituelle Aspekt. Neben der Erwartung, damit eine erprobte Technik zur Stressbewältigung zu erlernen.
Bogenschießen in Payerbach
Nun wurde ein Einführungswochenende in das Intuitive Bogenschießen (hier gibt’s das PDF) von the green field (www.green-field.at) in Wien, wo ich auch meine Embodiment-Ausbildung absolviere, angeboten. Stattfinden sollte das Ganze im niederösterreichischen Payerbach, auch bekannt als das Gebiet der „Wiener Alpen“. Trainer waren Rolf Krizian und Anita Gallitzendörfer, die mir aus der Embodiment-Ausbildung bekannt sind. Also eine Veranstaltung in einem durchaus vertrauten Rahmen an einem sehr schönen Ort.
Im Gegensatz zum traditionellen oder olympischen Bogenschießen geht es nicht um den Wettkampf. Daher werden auch keine Zielvorrichtungen verwendet. Die Idee ist, durch die passende Bewegung und Einstellung zum Ziel, Geist und Körper in Einklang zu bringen und zu treffen, ohne allzu bewusst bzw. „technisch“ vorzugehen. Als Zielsetzungen des Intuitiven Bogenschießens werden daher auch häufig genannt:
- Verbesserung des Körpergefühls und der Körperwahrnehmung
- Stressbewältigung durch den Abbau von Stresshormonen
- Verbesserung der Konzentration, der Atmung, des Stands
- Stressprävention
- Spaß
- Klärung von möglichen Themen, die bewusst werden
In der Bogensportwelt wird der Begriff oft unscharf verwendet – auch das Bogenschießen auf einem Parcours mit 3D-Zielen (Tierfiguren aus Kunststoff) wird wegen der fehlenden Zieleinrichtung am Bogen bisweilen „intuitiv“ genannt. Manchmal wird daher der Begriff „therapeutisches Bogenschießen“ genutzt, wenn es verstärkt um die Reflexion und Bearbeitung von Themen gehen soll.
Beim intuitiven Bogenschießen, wie ich es erlernt habe, geht es vor allem um die passende geistige und körperliche Einstellung: Schaffe ich es, einen möglichst wachsamen Wahrnehmungszustand zu erreichen und ihn mit den richtigen Bewegungsmustern zu verbinden?
Der erste Ausbildungstag im intuitiven Bogenschießen
Der erste Tag begann im Seminarraum, ziemlich ähnlich zur Embodiment-Ausbildung. Wir sammelten Ideen, Erwartungen und damit verknüpfte Körperempfindungen (sog. Somatische Marker) und arbeiteten damit. Schon interessant, welch breites Spektrum sich da zeigte. Vom sportlichen Aspekt über ein spielendes Kind (da wurden viele Erinnerungen wach) bis hin zu körperlicher Anspannung und der Angst, zu versagen oder nicht gut genug schießen zu können war so einiges dabei. Körperlich ging das Spektrum von Spannungen in der Schulter über Unruhe im Bauch bis hin zum stabilen Kontakt der Fußsohle mit dem Boden.
Nach einigen Trockenübungen mit dem Theraband und Bögen ohne Pfeil ging es dann nach dem Mittagessen in eine nahe gelegene Halle, wo wir unsere Bögen, Handschuhe mit drei Fingern (für das Ausziehen der Sehne), Armschutz (zu dem hatten mir alle Bekannten, die schon Erfahrung hatten, dringend geraten) und natürlich auch den Köcher mit ein paar Pfeilen in Empfang nehmen durften.
Tag eins beim intuitiven Bogenschießen in Payerbach – Foto: Christine Amon-Feldmann
Das vorher eingeübte 10-Punkte-System, das vom stabilen Stand übers Spannen des Bogens, den eigentlichen Schuß („fatzen lassen“) bis hin zum Nachhalten geht, gingen wir noch einmal durch. Und schon flogen die ersten Pfeile auf unsere Zielscheiben, die zum Glück nur in wenigen Metern Entfernung standen. Wobei auch einige im Pfeilfangnetz dahinter landeten, schließlich ging es ja nicht ums Zielen, oder? In den ersten Runden waren die Zielscheiben nur große Quadrate aus Strohscheiben, eine richtige Zielscheibe – also die mit den farbigen Ringen – gab’s dann erst später. Zunächst ging es darum, die Technik mit echten Pfeilen zu üben und gleichzeitig immer wieder – nach jeweils 5 Pfeilen – nachzuspüren, was sich im Körper tut.
Die Körperintelligenz meldet sich
Und im Körper tat sich so einiges… ich konnte eine Festigkeit im Brustkorb spüren, die auch mit einer gewissen Traurigkeit verkoppelt war. Damit konnten wir dann wieder weiter in Kleingruppen arbeiten – mit einigen neuen Erkenntnissen, nicht nur bei mir. Ich war erstaunt, wie schnell wir bei einigen Coaching-Themen rund um bekannte Muster und Glaubenssätze angelangt waren.
Am ersten Tag ist noch viel Anspannung da, die bald weichen wird – Foto: privat
Schon war die nächste Runde dran – wieder 5 Pfeile schießen und dann gleich noch zwei weitere Runden mit 5 Pfeilen. Wir wurden gelobt und ein klein wenig in unserer Technik korrigiert, auch das Bogenschießen lernt man ja nicht an einem Tag. Eine abschließende Gruppenarbeit und Reflexion unserer Erfahrungen rundeten den ersten Tag professionell ab. Ich war begeistert, von unseren Trainern, der sympathischen Gruppe, meinen ersten Erkenntnissen und natürlich vom Bogenschießen. Das hatte so richtig Spaß gemacht. Dieser erste Tag war unglaublich intensiv, nach einem gemeinsamen Abendessen in gelöster Atmosphäre gingen die meisten von uns früh zu Bett.
Zweiter Tag: Tiefe Ruhe und Herzensfreude
Am nächsten Morgen merkte ich bereits beim Frühstück, wie sehr ich mich schon darauf freute, wieder ein paar Pfeile „fatzen“ zu lassen. Wir verbrachten den zweiten Tag abwechselnd im Seminarraum und in der Halle beim Bogenschießen. Irgendwie war der zweite Tag emotional ganz anders für mich. Statt der Enge in der Brust war da plötzlich eine tiefe Ruhe eingekehrt und eine Herzensfreude, die ich so stark schon lange nicht mehr gespürt hatte. Sie sorgte dafür, dass ich den Tag über nur breit grinsen konnte. Kognitiv wurde mir klar, was das mit einigen hartnäckigen Mustern und Glaubenssätzen zu tun hat. Plötzlich hat sich etwas verändert… Was ist da in mir passiert?
Bogenschießen – ganz intuitiv! Foto: Christine Amon-Feldmann
Am Sonntag hatten wir wieder viel Gelegenheit, mit den Impulsen in Kopf und Körper intensiv zu arbeiten. Spannend fand ich dabei, dass sich wirklich bei uns allen etwas verändert hat in den Empfindungen und inneren Bildern. Und dass wir alle eine tiefe Ruhe und Entspannung gefunden hatten, sowie einen stabilen Stand, durch den wir tief am Boden verwurzelt waren.
Die Einstellung macht´s, nicht unbedingt die Treffer. Foto: Christine Amon-Feldmann
Zurück zum Embodiment
Als Embodiment-Coach habe ich somit ein weiteres Werkzeug an die Hand bekommen, mit meinen Klienten zu arbeiten. Das einen einfachen Zugang zu den verkörperten Bildern, Emotionen, Glaubenssätzen und Mustern ermöglicht – aber auch eine ganz andere Art, damit zu „arbeiten“, die verknüpften Themen zu bearbeiten, vielleicht sogar zu lösen. In jedem Fall aber ein anderes Bewusstsein zu schaffen und sich wieder stärker mit dem eigenen Körper zu verbinden. Gleichzeitig war es eine sehr intensive Meditation, ein bei-sich-sein, verbunden mit Spaß und tiefer innerer Ruhe. Also viele Dinge, Erwartungen und Wünsche, die meine Klienten im Coaching so mitbringen, wenn sie mich aufsuchen.
Eine Erwartung vom Beginn konnten wir allerdings nicht einlösen – einen Pfeil in Robin Hood-Manier zu spalten. Ging auch nicht, unsere Pfeile hatten alle einen Schaft aus Carbon. Unspaltbar sozusagen.
Dafür habe ich den nächsten Tag das Buch von Eugen Herrigel in einem Rutsch gelesen. Und einen ganz anderen Zugang dazu gefunden.
Ich glaube, mein spiritueller Weg hat mich gefunden. Zwei Tage später habe ich mir im Bogensportzentrum Breitenstein einen Bogen gekauft und mich für die Ausbildung angemeldet, in der ich lernen werde, wie ich das Bogenschießen noch besser ins Embodiment Coaching mit Klienten integrieren kann.
Pfeil und Bogen stehen schon bereit. Foto: privat
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