„Sie haben noch zwei Sekunden!“ – Der Coach und das Callcenter
Ich habe ein Callcenter-Trauma. Wie es dazu kam, zeigt folgender Beitrag, der allerdings nur die Eisbergspitze einer jahrelangen Callcenter-Leidensgeschichte ist.
Kennen Sie das? Es ist kurz vor 18 Uhr, Sie haben Ihr Tagwerk so gut wie abgeschlossen und freuen sich auf einen entspannten Abend. Dann klingelt Ihr Telefon. Das Display zeigt eine unverdächtige Nummer einer deutschen Großstadt. Doch schon nach wenigen Sekundenbruchteilen bereuen Sie es, abgenommen zu haben…
„Spreche ich mit Herrn Markus Blaschka?“ Der Typ am anderen Ende der Leitung nuschelt in der Manier des beflissenen Telefonverkäufers in sein Headset, während man im Hintergrund das Stimmengewirr seiner 100 Callcenterkollegen erahnt. Innerlich stöhne ich auf – warum trifft es immer mich und ausgerechnet immer zu einer Zeit, in der man höchsten noch den Anruf naher Verwandter oder guter Freunde erwartet? Fast nahtlos reiht der Typ die Worte, die er auswendig gelernt hat, aneinander, ohne meine Antwort abzuwarten: „HerrBlaschka, gehtesIhnen gut, ichdarfIhnenheuteeinganzbesonderesAngebot…“
MOMENT MAL!
In meinem Kopf macht es „Klick“ und ich drehe den Spieß einfach mal um. Statt wie üblich nett und freundlich an dieser Stelle mit einem „Entschuldigen Sie bitte, aber ich bin nicht interessiert, einen schönen Abend noch“ zu unterbrechen, falle ich dem Anrufer brüsk in seine Litanei: „Sie wissen schon, dass Sie eine kostenpflichtige Coaching-Hotline gewählt haben? Sie haben jetzt noch zwei Sekunden, ab dann kostet Sie der Anruf bei mir 220 Euro netto in der Stunde. Möchten Sie den Minutenpreis wissen?“ Der Typ verstummt erst einmal für eine Sekunde. Gespannt warte ich auf seine Reaktion. „Ja, also… das war mir nicht bewusst. Dann darf ich Ihnen nicht von unserer exklusiven Weinauswahl…“ – „Vielen Dank, nein. Sie wollen ja verkaufen und nicht stattdessen Ihrem Auftraggeber eine dicke Rechnung verursachen“, triumphiere ich. Der Typ legt auf, ich habe ihn schachmatt gesetzt und entkorke pfeifend meinen nicht am Telefon gekauften Lieblingswein, denn JETZT habe ich wirklich Feierabend.
Callcenter-Agenten handeln ja nicht aus dem Nichts heraus, sondern sind meistens geschult in dem, was sie einem sagen. Im Laufe der Zeit habe ich einige typische Frage-Antwort-Muster herausgehört und meinerseits eine Callcenter-Strategie erarbeitet. Der Trick: Sie antworten jedes Mal aus der Coach-Perspektive.
Gute Laune trotz frecher Anrufe…
Das Problem mit dem Abschluss
- Callcenter: „Einen wunderschönen Tag, Frau XY, ich möchte Ihnen heute unser tolles neues Angebot…“
- Sie: „…hier ist die Coaching-Hotline von Frau XY. Sie haben eine kostenpflichtige Nummer gewählt. Darf ich um Ihre Rechnungsadresse bitten, bevor wir fortfahren?
- Callcenter: „Aber Frau XY, ich möchte nichts kaufen, ich habe doch das Angebot für Sie!“
- Sie: „Ach, darum geht es heute im Coaching: Sie kriegen keine Abschlüsse gebacken. Bevor ich Ihnen helfen kann, brauche ich nun aber wirklich Ihre Rechnungsanschrift.“
- Callcenter: Klick.
Niemand will mich sprechen
- Callcenter: „Einen wunderschönen Tag, ist da der Einkauf der Firma von Frau XY…?“
- Sie: „Hier ist die Coaching-Hotline von XY. Ich merke schon, Ihr Thema ist, dass Sie nie den richtigen Ansprechpartner dran kriegen. Wir können gern daran arbeiten.“
- Callcenter: Klick.
Es geht nichts ohne Kundennummer
- Callcenter: „Spreche ich mit Frau XY? Ich rufe an im Auftrag von…“
- Sie: „Moment, ich brauche bitte erst Ihre Kundennummer, dann kann es weiter gehen.“
- Callcenter (irritiert): „Aber ich habe doch gar keine Kundennummer bei Ihnen…ich rufe an im Auftrag von…“
- Sie: „Das haben wir gleich. Ich lege Sie gerne neu an. Ihre Adresse bitte?“
- Callcenter: Klick.
Die ganz harte Nummer
- Callcenter: „Herr Blaschka, hier ist XYZ, ich habe tolle Neuigkeiten für Sie…“
- Sie: „Sie haben die kostenpflichtige Coaching-Hotline von XY gewählt. Bevor es weitergeht, brauche ich Ihre Kundennummer.“
- Callcenter: „Herr Blaschka! Hallo, hören Sie mir bitte zu, hier ist…“
- Sie: „Ja, ich höre Sie, Ich brauche aber Ihre Kundennummer.“
- Callcenter (wiederholt ungerührt): „Herr Blaschka, Herr Blaaaschka…!“
- Sie: „Ohne Kundennummer geht es leider nicht weiter. Wenn Sie noch keine haben, lege ich sie gerne an.“
- Callcenter (weiterhin ungerührt): „Herr Blaschka, Herr Blaschka! Halloho! Hören Sie mir zu!“
- Sie: Klick.
Okay, Sie sehen schon: Nicht immer geht die Sache zu meinen Gunsten aus. Aber ich arbeite daran. Sie auch? Dann freue ich mich über Ihre lustigen oder denkwürdigen Callcenter-Dialoge… oder haben Sie den einen schlagfertigen Satz, der Ihnen immer wieder aus der Patsche hilft? Verraten Sie ihn mir? Gerne hier als Kommentar oder per Mail an info@drblaschka.de
Und wenn’s Ihnen wirklich zu viel oder unverschämt war, probieren Sie es doch mit einer Beschwerde bei der Bundesnetzagentur: http://bit.ly/2zn26QH
Photo: clipdealer