Agiles Coaching und Softwarearchitektur
Wenn es um die Transformation von Unternehmen im Zeichen der Digitalisierung geht und um komplexe neue Lösungen, zeigt das agile Coaching seine Stärken. Speziell bei der Einrichtung oder Weiterentwicklung großer Softwarearchitekturen kommen die Besonderheiten von Scrum, Kanban oder Extreme Programming zum Tragen. Experte auf diesem Gebiet ist mein neuer Netzwerkpartner René Schröder aus München, mit dem ich die Überzeugung von der Wirksamkeit des agilen Coachings teile.
René Schröder arbeitet seit 2001 als zertifizierter Projektleiter, Coach und Softwarearchitekt in der IT-Branche. Zuletzt betreute er erfolgreiche IT-Projekte in Leipzig, Köln, Frankfurt am Main und München, aktuell bei der BMW Group AG und der BayWa AG. Die Stärken seines ganzheitlich orientierten Ansatzes liegen in der Wahl des geeigneten Methodenmixes bei der Betrachtung des Dreiklangs von Projektmanagement, Softwarearchitektur und Testverfahren. In einem Interview mit dem Journalisten Axel Effner aus Traunstein geht Schröder in diesem Beitrag der Frage nach, warum agiles Coaching heute so gefragt ist, worin seine Vorteile und Besonderheiten bestehen und worin sein Beitrag zur Lösung komplexer Herausforderungen der Zukunft bestehen kann.
Seit drei bis vier Jahren verzeichnet das agile Projektmanagement einen starken Interessenszuwachs. Worin liegen aus Ihrer Sicht die Vorteile gegenüber klassischen Managementmethoden?
René Schröder: Ich denke nicht, dass klassische Managementmethoden per se nicht mehr erfolgreich sein können. Die Unternehmen sowie das Umfeld, in denen sie agieren, sind im Vergleich zu den Jahren davor wesentlich stärker von Veränderungen betroffen und daher bedarf es bei Firmen, die in diesem Umfeld unterwegs sind, eines Umdenkens. Die klassischen Methoden sind zu einer Zeit entstanden, in der Arbeit bzw. Abläufe teilbar waren, z.B. am Fließband, was für Wissensarbeit dagegen nur sehr bedingt zutraf. Die klassischen Methoden benötigen aber diese Aufteilung. Agile Methoden füllen diese Lücke aus, nicht für alle Herausforderungen, die in Unternehmen existieren, aber in den Bereichen wie zum Beispiel der Softwareentwicklung, in denen eine Vorhersagbarkeit und Teilbarkeit nicht mehr wie früher möglich ist.
Woher rührt Ihrer Ansicht nach das Interesse? Macht die zunehmende Komplexität und vernetzte Wirkung von Techniken, Produkten und Entscheidungsprozessen neue Verfahren notwendig?
Schröder: In einigen Fällen liegt das Interesse vermutlich daran, dass gefühlt jeder agil macht und die Unternehmen nicht als rückständig angesehen werden wollen. Auch glaube ich, dass es gerade in der Softwareentwicklung schwer geworden ist, fähige Köpfe zu finden. Arbeitet ein Unternehmen agil, findet es meist diese Köpfe schneller, weil kaum ein Softwareentwickler noch klassisch arbeiten möchte. Als weitere Motivation ist natürlich der Markt zu sehen: Die Kunden wollen immer schneller Ergebnisse sehen, sie legen Wert auf mehr Innovation und Vernetzung. Hierfür bieten sich agile Arbeitsweisen an.
Was zeichnet agile Methoden aus? Lassen sie sich überhaupt aktuell und problembezogen einsetzen oder erfordern sie eine umfassendere Transformation der Firmenkultur?
Schröder: Agile Methoden gehen sehr stark weg vom klassischen Ansatz des Taylorismus, also Unternehmen, Projekte usw. mit sehr strengen Zielvorgaben und Kontrollen zu führen. Es gibt keine ausschließlich denkende und ausschließlich arbeitende Ebene mehr. Die Teams arbeiten selbstorganisiert, selbstdenkend usw., um ihr gestecktes Ziel – zum Beispiel in einem Sprint, wie es im Scrum heißt – zu erreichen. Daher glaube ich, Firmen müssen generell umdenken und sich in ihrer Gesamtheit transformieren.
Sie sind schwerpunktmäßig im Bereich Softwarearchitektur tätig. Können Sie anhand konkreter Erfahrungsbeispiele aus Ihrer Praxis schildern, wo hier die aktuellen Herausforderungen liegen?
Schröder: Softwarearchitektur ist in klassischen Methoden oft von einem Architekten oder Architektenteams vorgegeben und im Voraus geplant worden. So sind große mächtige Architekturen entstanden, die oft schwer zu ändern waren, ganz abgesehen von der schon angesprochenen Trennung von denken und arbeiten bzw. ausführen. Software-Architektur im agilen Umfeld entsteht wie alles iterativ, also in einem beständigen Prozess den aktuellen Gegebenheiten in angemessener Weise angepasst und vom Team weiterentwickelt. Ändern sich Anforderungen, kann das Team schnell reagieren und die Architektur von Sprint zu Sprint weiterentwickeln.
Inwiefern führt ein ganzheitlicher Ansatz im agilen Coaching wie bei Ihnen zu besseren Ergebnissen?
Schröder: Ich glaube nicht an Best-Practice-Ansätze. Kein Unternehmen ist wie das andere und kein Ansatz kann 1 zu 1 übernommen werden. Das trifft auch auf agile Methoden wie Scrum, LeSS oder Extreme Programming zu. Um ein Unternehmen voran zu bringen, müssen alle Bereiche, angefangen bei den Anforderungen über Softwarearchitektur bis hin zum Testing, betrachtet werden, um darüber einen geeigneten agilen Ansatz zu etablieren.
Agile Verfahren greifen auf Erkenntnisse der Komplexitäts- und Systemtheorie zurück. Wo liegt der Unterschied zwischen einer komplizierten und einer komplexen Problemlösung?
Schröder: Der große Unterschied zwischen kompliziert und komplex ist die Herangehensweise. Komplizierte Probleme können durch nachdenken gelöst werden, die Ursache-Wirkungs-Kette ist von Anfang an bekannt. Im komplexen Umfeld existieren diese Ketten auch, sie können allerdings nicht mehr durch nachdenken, sondern nur iterativ, also von Schritt zu Schritt durch Feedbackschleifen mittels des „Inspect and Adapt“-Verfahrens, herausgefunden und gelöst werden. Das ist in etwa so, wie wenn Sie im Nebel ohne Navi und Landkarte von München nach Augsburg fahren wollen und sich dann von einem zum nächsten Orientierungspunkt vorarbeiten müssen bis Sie am Ziel sind. Softwareentwicklung ist im komplexen Umfeld zu sehen. Daher bieten sich dafür Methoden an, die mit Feedbackschleifen arbeiten.
Trotz der Begeisterung vielerorts für agile Methoden sind die Wirkungsprinzipien in vielen Managementetagen noch nicht ganz durchgedrungen. Offensichtlich lassen sich die Verfahren auch nicht einfach punktuell aufpfropfen, sondern es geht um eine innere Haltung, ein Mindset, eine neue Firmenkultur, oder?
Schröder: Agile Methoden nur in der IT einzuführen und zu hoffen, dass dann alles besser wird, kann nicht funktionieren. Es muss die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet werden, um agil arbeiten zu können. Es bringt daher nichts, wenn die IT-Abteilung mit Projekten sozusagen zugeschüttet wird und diese agil abarbeiten soll. In diesem Fall ist es bereits der falsche Ansatz, die Abteilung völlig mit Arbeit zu überfrachten und damit zu überfordern. Das heißt, das Mindset des Managements darf nicht sein: Wie die IT arbeitet, ob agil oder klassisch, ist mir egal, ich mache weiter meinen Stiefel, sondern: Das Management arbeitet agil und versteht seine neuen Aufgaben.
Welchen Ausblick einer Transformation der Firmenkultur sehen Sie auch mit dem Blick auf die neuen Herausforderungen durch die Digitalisierung?
Schröder: Transformation von Unternehmen gab es schon immer. Ich glaube, oft gelingt diese nicht, weil die Notwendigkeit nicht oder zu spät erkannt wird. Oft ist auch, dass Rollen gerade im agilen Umfeld wegfallen und Personen um ihre Jobs fürchten. Die Herausforderung hier ist, Personen auf dem Weg mitzunehmen und Ihnen Hilfestellungen zu geben, ihre alte Rolle abzulegen und in eine neue hineinzuwachsen, denn nur, weil eine Rolle wegfällt, heißt das nicht, dass eine Arbeitsstelle wegfallen muss.
Sind Sie neugierig geworden auf das Thema „agiles Coaching“? In unserem Beitrag Was ist eigentlich Agiles Coaching? finden Sie ausführliche Informationen zum Thema.
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Foto: René Schröder