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Welche Vorteile bringt Agilität im Unternehmen?

Das Thema Agilität bzw. agiles Management ist seit einigen Jahren in Führungsebenen schnell als Zauberwort zur Hand, wenn es um bessere Ergebnisse und die schnellere Umsetzung von Projekten geht. Tatsächlich glaubt nach aktuellen Studien wie dem „Status Quo Agile 2016/2017“ der Hochschule Koblenz mit 700 Befragten oder dem „Agilitätsbarometer 2017“ von Haufe mit 3 000 Teilnehmern ein großer Prozentsatz der Interviewten, mit agilen Methoden mehr Erfolg auf dem Markt zu haben. Unter dem Strich bedeutet Agilität aber noch weitaus mehr und kommt einem Kulturwandel im Unternehmen gleich.

In einem aktuellen Interview mit der Wirtschaftsredakteurin Elisabeth Sennhenn im Oberbayerischen Volksblatt aus Rosenheim (Ausgabe vom 1. September 2018, Seite 36) habe ich als Agile Coach und Scrum Master die wesentlichen Kennzeichen, Vorteile und Chancen von Agilität in Unternehmen zusammenfassend erläutert, Praxisbeispiele und Einsatzbereiche aufgezeigt und die Rolle der Führungskräfte dargestellt. Der nachfolgend abgedruckte Text bietet auch die Möglichkeit, zahlreiche Missverständnisse über agile Führungsmethoden auszuräumen.

Oft berichten Unternehmer, ihr Betrieb sei „agil“. Was meinen Sie?

Dr. Markus Blaschka: Fast jeder Unternehmer möchte heute eine „agile“ Firma, weil man mit dem Begriff positive Eigenschaften verbindet: schnell, wendig, reaktionsfreudig etwa. Doch leider ist es mit dem Attribut allein nicht getan, auch wenn ich oft in Firmen höre: „Wir waren ja schon immer agil“. Auf Nachfragen erfahre ich dann aber, dass damit eher ein Verhalten beschrieben wird, das man für agil hält, aber eigentlich nur ein schnelles, oft chaotisches Reagieren auf Veränderungen und neue Projekte gemeint ist. Das ist genau das Gegenteil von agilem Projektmanagement.

Trendthema oder Methode mit Zukunft?

Ist Agilität also eher ein Trendthema, das bald wieder verschwunden sein könnte oder bewirkt es einen nachhaltigen Wandel in der Wirtschaft?

Blaschka: Agilität geistert seit einigen Jahren einerseits als Modewort quer durch fast alle Branchen. Wer sich jedoch ernsthaft mit agilen Methoden in der Praxis befasst, bestätigt, dass dies zu weitreichenden Änderungen in der Unternehmensorganisation, im Führungsverständnis und der Arbeitsweise von Teams geführt hat. Dazu kommt, dass jüngere Generationen die agile Arbeitsweise heute als „natürlich“ empfinden und teils die Entscheidung für einen Arbeitgeber davon abhängt. Somit glaube ich, dass hier ein grundlegender Wandel eingeläutet wurde, der sich in den nächsten Jahren verstärken wird.

Haben Sie ein Beispiel aus der Praxis für diesen Wandel?

Blaschka: Ich kann von mehreren Projekten berichten, dass sich durch agile Strukturen zum Beispiel das klassische Getrennt-Sein von Abteilungen auflöst. Das beste Beispiel dafür sind IT-Abteilungen, die oft als eigener Unternehmensbereich gesehen werden. Die IT erhält Anforderungen aus einem anderen Bereich wie Marketing, Logistik oder Produktion und soll deren Vorgaben für die jeweiligen IT-Systeme umsetzen. Die IT weiß meist gar nicht, wie andere Abteilungen arbeiten und umgekehrt. So entsteht eine „Mauer“ im Kopf. Diese gedankliche Trennung fällt aktuell in Unternehmen weg. Auch räumliche Grenzen zwischen Abteilungen werden ab- und interdisziplinäre Teams aufgebaut. Das ist eine Revolution in Organisationen, welche bisherige Strukturen grundlegend und dauerhaft ändert.

Die Arbeitsweise der Teams verändert sich

Was bedeutet das für die Mitarbeiter, die vermutlich nicht gefragt wurden, ob sie die agile Transformation wünschen?

Blaschka: Agilität bringt freilich auch einen Wandel in der Arbeitsweise von Teams. Agile Teams arbeiten selbstorganisiert –ein Beispiel dafür ist Scrum. Außerdem sind agile Teams crossfunktional besetzt. Teils arbeiten sie sogar direkt miteinander, am gleichen Platz. Damit entfallen die vielen, zeitraubenden und sonst oft ungeliebten Übergaben, Absprachen, viele Meetings, die zu Missverständnissen und Verzögerungen führen können. Gerade in Scrum-Teams bemerkt man, wieviel Spaß und Erfolgserlebnisse ihnen das neue Konzept bringt.

Und die Führungskräfte? Ihnen geht es sicher weniger um Spaß als um messbare Ergebnisse.

Blaschka: Es ist eine spannende und oft diskutierte Frage, was selbst organisierte Teams von ihren Führungskräften benötigen. Eines ist sicher: Das Führungsbild wandelt sich komplett. Die Führungskraft, die Ziele vorgibt, kontrolliert und weiter nach oben berichtet, wird über kurz oder lang nicht mehr gebraucht. Agile Unternehmen leben davon, dass die Führungsebenen diese Agilität bejahen und sie selbst praktizieren. Agilität bedeutet, eine Idee im kleinen Rahmen auszuprobieren, das Ergebnis zu prüfen, das Vorgehen anzupassen, das Ganze zu wiederholen und weiter zu entwickeln. Aufgabe der Führung ist, mehr an der gewünschten Kultur zu arbeiten. Etwa, indem man gute Verhaltensweisen fördert, Grenzen setzt, negativen Verhaltensweisen entgegentritt, an Werten, Vision und Zielen arbeitet, Richtlinien und Transparenz schafft.

Führungsbild in agilen Unternehmen wandelt sich

Was ändert sich in agilen Unternehmen noch?

Blaschka: Zum Beispiel die Bürolandschaft. Statt dröger Schreibtischreihen finden wir heute Arbeitsflächen für Teams, Rückzugsecken, unterschiedlich gestaltete Besprechungsräume, Möglichkeiten zur Visualisierung wie Flipcharts, Pinnwände und bunte Klebenotizen. Manche Firmen lassen Teams ihren Arbeitsbereich komplett organisieren und gestalten. Wer erlebt hat, wie es in solchen Unternehmen wie in einem Bienenstock brummt, hat verstanden, wie gut das Prinzip in der Praxis funktioniert. Es entstehen Räume, in in denen es Spaß macht, zu arbeiten.

Wie geht ein Unternehmen vor, das ein agiles Umfeld schaffen will?

Blaschka: Es gibt keinen Königsweg. Die Geschäftsleitung sollte sich klar dazu bekennen und entscheiden, in welchen Bereichen man agile Strukturen zuerst einführen und testen will. Da Agilität aus der IT kommt, bietet sich die Software-Entwicklung als erster Bereich an, wenn vorhanden. Führt man Scrum ein, läuft das nach den agilen Prinzipien „Austesten und Weiterentwickeln“. Man setzt auf regelmäßiges, frühes Feedback und arbeitet mit frühen, lauffähigen Prototypen. Vielleicht sucht man sich auch nur ein erstes, mittelgroßes Projekt aus und geht hier nach einer Methode wie Kanban oder auch Scrum vor. Es hat sich auch bewährt, zunächst nur ein Projektteam umzustellen und dann bei Erfolg das nächste. Wichtig ist am Anfang, sich externes Know-how in Form eines erfahrenen „Scrum Masters“ oder Agilen Coachs einzuholen und genügend internes Wissen aufzubauen. Generell sollte man die Agilität schrittweise, in mehreren Wiederholungen, einführen.

Wo gibt es Probleme?

Blaschka: In der Praxis höre ich als Agiler Coach oft Zielsetzungen wie: „Bis Ende 2019 sind wir agil!“, was leider nicht funktioniert. Agil werden ist ein Prozess, der keine Deadline kennt. Als schwierig wird bisweilen der Kulturwandel empfunden. Er ist auch mit einem Rollenwechsel für Führungskräfte und Mitarbeiter verbunden. Wird etwa Scrum eingeführt, verlieren manche Personen ihre angestammte Rolle, etwa der Projekt- oder Testmanager. Nicht jede Führungskraft ist glücklich, wenn sie Teamergebnisse nicht mehr kontrollieren soll.

Und die Chancen?

Die meisten Unternehmen sehen die deutlichen Verbesserungen und den Nutzen, die den Aufwand der Einführung überwiegen. Die Software-Entwicklung etwa fokussiert sich stärker auf wirklich genutzte Funktionen. Generell höre ich oft, die interne Zusammenarbeit habe sich stark verbessert. Die Top-Drei-Gründe für die Anwendung agiler Methoden sind eine kürzere Produktentwicklungszeit, optimierte Qualität und geringere Risiken des Projekts.