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Hochsensibilität: Leben mit dem "gewissen Etwas"

Hochsensible Menschen sind in den letzten zwei, drei Jahren vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Unter anderem hat das meiner Meinung nach damit zu tun, dass immer öfter thematisiert wird, wie sich so genannte Randgruppen besser in die Gesellschaft integrieren lassen. Vor allem geht es dabei um die Integration in den Arbeitsmarkt. Hochsensibilität oder Hypersensibilität ist aber kein reines Erwachsenenproblem. Sie beginnt schon in der frühen Kindheit und prägt Verhaltensweisen aus, die erst beim Erwachsenen so richtig zum Tragen kommen. Während Wissenschaftler der Ansicht sind, dass Hochsensibilität angeboren ist, geht die Psychotherapie davon aus, dass Traumata in der Kindheit ein Auslöser dafür sein können. Laut Statistik sind in Deutschland rund 20 % der Menschen hochsensibel. Ich meine, es gibt eine hohe Dunkelziffer.

Was heißt das überhaupt, wenn jemand sich als hochsensibel bezeichnet? Wikipedia schreibt dazu etwa: „Hochsensibilität ist ein Phänomen, bei dem Betroffene stärker als der Durchschnitt auf Reize reagieren, diese viel eingehender wahrnehmen und verarbeiten.“

Gute Informationen finden Interessierte auch auf der Website www.zartbesaitet.net, die ich an dieser Stelle einfach mal empfehle und auf der detaillierter darauf eingegangen wird, wie Hochsensible leben, welche Bedürfnisse sie haben:

  • Verstärkte Wahrnehmung von Reizen
  • Schlechteres Ausblendenkönnen von unerwünschten Reizen (z.B. Umgebungslärm)
  • Tiefer und nachhaltigere Verarbeitung von Erlebnissen (mehr Gedankenschleifen)
  • Wenn eine hochsensible Person zu vielen Reizen ausgesetzt ist, kommt es zur Überstimulation (siehe http://www.zartbesaitet.net/info4.htm) und dann massivem Stress.
  • Oft eine Gemeinsamkeit: Lärmempfindlichkeit
  • Fühlen sich sehr gut in ihr Gegenüber ein, bedeutet aber nicht unbedingt höhere Empathie (ein HSP in der Überstimulation ist alles andere als empathisch)
  • Benötigen viel Rückzug und Zeit für sich bzw. in der Natur
  • Eine Facette mit vielen Vor- und Nachteilen
  • Keine psychische Störung, daher gibt es auch keine validen Tests, dennoch viel aus der Praxis
  • Ca 70% sind introvertiert, 30% extrovertiert, letztere oft dann auch die sog. High-sensation-seeker, die auch viel Trubel brauchen – im Wechsel mit Phasen des Rückzugs

Die Website bietet auch einen Selbst-Test an.

Was unterscheidet Hochsensible von normal sensiblen Menschen?

Sie erleben und empfinden alles, was passiert, intensiver. Das ist sehr vereinfacht ausgedrückt. Hochsensible kennzeichnet außerdem, dass sie

  • detailreich und vielschichtig wahrnehmen,
  • vielseitig interessiert und begeisterungsfähig sind,
  • stark intuitiv geprägt sind und entsprechend denken,
  • sehr musisch und kreativ veranlagt sind,
  • harmoniebedürftig, gewissenhaft und besonders empathisch sind,
  • nach größeren Zusammenhängen suchen und stark vernetzt denken,
  • ein ausgeprägtes Langzeitgedächtnis haben und eine Tendenz zur Hochbegabung.

Aufgrund dieser Eigenschaften (diese Liste ist bei Weitem nicht vollständig und individuell erweiterbar) werden Hochsensible von ihrer Umwelt gerne mal als pedantisch oder zu fantasiebegabt wahrgenommen, als „empfindlich“ oder als jemand, der schnell „überreagiert“. Wer weiß, ob nicht vielleicht die hohe Burnout-Rate darauf zurückzuführen ist, dass mehr Menschen als wir meinen, eigentlich hochsensibel sind und mit den alltäglichen Anforderungen nur schwer klarkommen. Gleichzeitig kann man auch annehmen, dass gerade die Schnelllebigkeit unserer Zeit, die Informationsflut und das ständige Online-Sein Menschen sensorisch immer sensibler macht.

Wie ich mit meiner Hochsensibilität umgehe

Im Job natürlich oft Segen und Fluch zugleich: Ich kann mich als Coach sehr gut auf mein Gegenüber einstellen, weil ich oft das gleiche empfinde und wir uns auch meist ohne Worte gut verstehen. Dito im Training, weil ich automatisch alle Teilnehmer irgendwie im Blick habe und ein gutes Gespür für mögliche Spannungen habe und weiß, wie es der Gruppe geht. Nachteil ist, dass ich nach einem langen Tag oft überstimuliert bin und dann Rückzug brauche. Umso schlimmer, wenn ich dann erst noch eine Fahrt z.B. auf engem Raum im Zug oder im Flugzeug über mich ergehen lassen muss, mit vielen, oft lärmenden Menschen.

Mein großer Vorteil als Hochsensibler ist, dass ich bei einem Auftrag oft schon nach einem halben Tag in einer Firma weiß, ob es läuft, wo es Probleme gibt, welches die Stärken in der Firma sind. Das „weiß“ ich einfach, es ist keine bewusste Art der Wahrnehmung, sondern eher intuitiv. Ich kann ziemlich genau sagen, wie der Führungsstil und der zwischenmenschliche Umgang gestaltet sind, ja, welches die Unternehmenskultur ist. Früher hielt ich dieses Wahrnehmungsvermögen für eine Eingebung, ich hatte eben eine gute Menschenkenntnis oder besonderes Einfühlungsvermögen. Heute ist mir klar, dass diese rasche Auffassungsgabe mit meiner Hochsensibilität zusammenhängt.

Nach heftigen Erlebnissen muss ich mich allerdings mit der tieferen Verarbeitung auseinandersetzen. Mich beschäftigen Ereignisse, die für andere banal erscheinen, oft noch wochenlang. Ich bin extravertierter, von daher sind Phasen des Rückzugs für mich essenziell. Am meisten kämpfe ich mittlerweile mit der Lärmempfindlichkeit, die eher zunimmt, wie mir scheint. So meide ich z.B. Veranstaltungen mit vielen Menschen, erst recht, wenns laut und eng wird. Heute weiß ich auch, warum ich im Großraumbüro nie arbeiten konnte. Laute Menschen sind mir nach wie vor ein Gräuel…

Hochsensibilität im Coaching

Neurowissenschaftler stehen mit der High-Sensitivity-Forschung noch relativ am Anfang, daher existiert bislang noch keine einheitlich anerkannte Definition für Hochsensibilität. Der Begriff geht zurück auf die 1990er Jahre; geprägt hat ihn die amerikanische klinische Psychologin und Psychotherapeutin Elaine N. Aron. Persönlich finde ich Arons Literatur schwer lesbar, daher habe ich mir selbst eine lange Literaturliste „angelesen“, die ich gerne weiterempfehle. Es gibt sie unter anderem in diesem Blog!

Für mich als Coach ist vor allem interessant, wie ich mit einem hochsensiblen Coachee arbeiten kann – die Besonderheit der Hochsensibilität erfordert oft ein anderes Herangehen an die Thematik des Klienten. Als Business Coach ist es meine Aufgabe, mit einem hochsensiblen Klienten beispielsweise daran zu arbeiten, wie er mit den Leistungsanforderungen einer eher „unsensiblen“ Arbeitswelt umgehen kann. Es stimmt, dass Hochsensible in gewisser Weise dünnhäutiger sind als andere Menschen – darin liegt für sie allerdings die Chance, sich gegenüber einer oft unerbittlichen und leistungsorientieren Umwelt zu stabilisieren. Umgekehrt gesagt, ist die (Arbeits-)Welt nicht auf die Bedürfnisse von Hochsensiblen eingestellt.

Überforderung und Stress abbauen

Wer hochsensibel ist, hat besondere Eigenschaften, die ihn wertvoll machen. Dies zu erkennen, anzuerkennen und für sich zu transformieren, kann ein Ziel des Coachings sein. Der Coachee kann lernen, sich zu schützen und sich „schadfrei“ in der Öffentlichkeit zu bewegen, am normalen Leben teilzunehmen. Er lernt, ein Schutzschild aufzubauen und beispielsweise seine Empathiefähigkeit gezielt einzusetzen – im Beruf kann dies ein großer Gewinn sein. Oft geht es darum, Selbstwert und Selbstbewusstsein aufzubauen. Grenzen zu setzen und sie zu wahren, kann ein weiterer Schritt sein. Bisweilen kann es sein, dass die bisherige Überforderung im (Berufs-)Alltag so groß war, dass erst einmal Erholung angesagt ist – der Coach hilft dann zum Beispiel, Wege der Regeneration zu finden und Strategien, zur Ruhe zu kommen. Psychische und mentale Ressourcen müssen wieder aufgefüllt werden.

Das Coaching mit Hochsensiblen ist auf jeden Fall vielseitig und vor allem: Für viele Coaches selbst ein neues Feld. Ich möchte mich diesem verstärkt widmen. Auch in weiteren Blogbeiträgen.

Wie immer freue ich mich auf Ihre Anregungen. Haben Sie selbst Erfahrung mit Hochsensibilität?