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Wie geht agile Führung?

Scrum als Methode fürs agile Projektmanagement ist momentan überall: in der Presse, im Unternehmen, auf Konferenzen. Agilität scheint das Modewort zu sein, das Unternehmen gerade am meisten beschäftigt. Alle wollen – nein, halt: müssen – agil sein, bis spätestens übernächstes Jahr. Klingt jetzt eigentlich nach Fehler im Detail, denn Deadlines haben in der agilen Arbeitswelt nichts zu suchen (siehe auch meinen Blogbeitrag über den Scrum Day). Tatsache ist aber, dass derzeit fast alle Unternehmen auf Agilität umstellen.

Leider gibt es dazu kein Patentrezept, dafür umso mehr Ideen und Halbwahrheiten. Die einen glauben daran, wenn sie nur eine agile Methode wie Scrum einführen, wird auch der Rest des Unternehmens „irgendwie“ agil. Doch wer mit Scrum arbeitet, scheitert oft daran, dass die anderen Bereiche in der Regel so weitermachen wie bisher. Die Quelle der agilen Weisheit, der Scrum Guide, lässt tatsächlich das Thema Führung komplett weg. Richtig gelesen: Zur Rolle der Führung bei Scrum ist nichts zu finden im Scrum Guide. Allgemein kann man sich nur vorstellen, dass der Scrum Master bei der Beseitigung der Hindernisse (Impediments) wohl die Unterstützung des Top Managements braucht, aber wie geht das konkret?

Diese in meinen Augen sehr wichtige Lücke schließt der Werkzeugkoffer „Management 3.0“ des niederländischen Autors, Trainers, Speakers und Unternehmers Jurgen Appelo. Passend zu seinem lesenswerten Buch gibt es auch weltweit Seminare, in denen genau vermittelt wird, was die Rolle der Führung im agilen Umfeld ist und wie man agil führt. Ich hatte mich noch auf dem Scrum Day zu dieser für mich wichtigen Weiterbildung angemeldet und Anfang Oktober ging es dann im Paulaner Bräuhaus am Kapuzinerplatz in München endlich los.

Mit zwölf Teilnehmern war es kein kleiner Kreis, den unser Trainer Jürgen Dittmar vor sich hatte. Doch Jürgen ist ein erfahrener Trainer und hatte die vielfältige Gruppe – darunter selbst viele kritische Trainer – gut im Griff.

Jurgen Appelo nennt seine Toolbox Management 3.0, weil seiner Meinung nach hier endlich die Organisation als lebendiger Organismus verstanden wird. Im Management 1.0 ging es vor allem darum, die Arbeit aufzuteilen in kleine, wiederholbare Schritte. Sie wissen schon: der berühmte „Taylorismus“ zu Beginn der industriellen Revolution. Management 2.0 entdeckte dann, dass z.B. manche Menschen ganz wichtige Ressourcen sind, die fast überall im Unternehmen gefragt sind und zentrale Knowhow-Träger sind. Allerdings sind sie oft auch ein Engpass, der berücksichtigt werden muss.

Nach einem Ausflug in die Komplexitätstheorie – das bekannte Cynefin-Modell sagt dazu aus, dass das Führungsteam sich immer mit komplexen Themen beschäftigt – und in die mir als Business Coach bestens vertraute Systemtheorie kamen acht wichtige Richtlinien für den Umgang mit Veränderung, Unsicherheit und Komplexität zur Sprache:

  1. Adressiere Komplexität mit Komplexität
  2. Verwende eine Vielfalt von Perspektiven
  3. Unterstelle Subjektivität und Koevolution
  4. Steal and Tweak
  5. Erwarte eine Abhängigkeit vom Kontext
  6. Antizipiere, passe an und erkunde
  7. Verkürze den Feedbackzyklus
  8. Halte Dir alle Möglichkeiten offen

Die grundlegende Idee dabei ist, dass wir komplexe menschliche Dynamiken nicht mit Frameworks managen können. Somit können wir ein komplexes System nicht kontrollieren, aber es gibt viele Möglichkeiten, es zu beeinflussen.

Die Praxis dazu durften wir gleich an einem Beispiel ausprobieren: Wir sollten ein faires Bonussystem für drei Teams unterschiedlicher Größe entwickeln – natürlich auf Basis der genannten Guidelines.

Im Anschluss an unsere Gruppenarbeiten stellte uns Jürgen das „Merit Money“ vor, wie es bei Happy Melly verwendet wird. Dabei erhält jeder Mitarbeiter eine bestimmte Anzahl von Credits, die er monatlich verteilen muss. Die Punkteverteilung ist transparent und die Vergabe muss auch begründet werden. Bei Happy Melly wird dann regelmäßig in einer Videokonferenz gewürfelt – kommt eine Sechs, werden die Merits ausgezahlt, sonst wird weiter gesammelt bis zur nächsten Videokonferenz.

Es gibt sogar Apps wie z.B. bonus.ly dafür oder als Alternative (auch für agile Projekte geeignet) die Kudo Walls. Dabei soll jeder im Team z.B. drei Karten je Woche verteilen. Die Karten werden alle an eine Kudo Wall gehängt und so entsteht wieder die nötige Transparenz. Letztlich geht es darum, so Jürgen, den oft vernachlässigten „Feedback-Muskel“ im Unternehmen zu trainieren. Ich habe das schon in einem Projekt ausprobiert und nach der anfänglichen Skepsis sind alle ganz begeistert von den Kudo Cards. Glauben Sie mir, die Veränderung im Team ist deutlich zu spüren.

Sie sind neugierig geworden auf Management 3.0?

Dann schauen Sie doch mal auf die Website. Dort finden Sie viele der Werkzeuge beschrieben.

Oder lesen Sie Jurgen Appelos Buch:

Ich bin so begeistert von der Toolbox, dass ich mich nach dem Seminar gleich zum offiziellen „Management 3.0 Facilitator“ habe zertifizieren lassen.

>> Mehr Infos zu unseren Management 3.0-Seminaren finden Sie hier.

Foto:  © Jurgen Appelo, Creative Commons 3.0 BY http://www.management30.com/